Erlebnisse mit Benjamin ( Caution ! Right-Hand-Drive ! )

Schon die Umstände, wie ich an Benjamin, meine Rechtslenker-Special-Dolly in jaune rialto / rouge delage geraten bin ist ein Erlebnis für sich. Ich fuhr im Sommer 1999 nach Schnelldorf zum Treffen am Erlensee. Am Laberfeuer lernte ich zu vorgerückter Stunde Jörg kennen, der mir was von einer Ente erzählte, die er verkaufen müsse, da er sich eine Vierzylinder-Rennente zugelegt hat. Als er erwähnte, daß es sich um eine englische Ente handelt, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich wollte in meiner Sammlung unbedingt noch eine originale Ente neben meinen ganzen verbastelten Kisten haben. Eigentlich wollte ich die gelbe Unfall-Charlie in meine Sammlung einverleiben, aber als ich von der Rechtslenker hörte, war sofort klar: Diese Ente brauche ich. Denn sie ist ja original, aber auch wenn ich eine originale Ente fahre, so muß sie doch etwas verstrahlt sein. . .

Zurück zum Laberfeuer: Jörg und ich hatten schon einige Brauereiprodukte konsumiert und die umstehenden Freunde von Jörg und mir beobachteten die Szene, wie wir per Handschlag eine Ente mit Fixpreis ohne gesehen ohne TÜV verdealen . . . Am nächsten Morgen hat mich Claudia gefragt, ob ich noch wissen würde, daß ich gestern nacht eine Ente gekauft habe. Natürlich wusste ich das noch, alles was mit Enten zu tun hat speichere ich sofort in gesicherten Auslagerungsdateien mit Sicherungskopie im Hauptspeicher meines Großhirns ab, egal welcher Zustand meinerseits. Irgendwann kam dann auch Jörg angetapert und fragte mich, ob ich das ernst gemeint hätte gestern, die gleiche Frage stellte ich ihm, beide bejahten und bingo. Nach dem Treffen fuhren wir, Claudia und ich noch bei Jörg vorbei und er übergab mir die Papiere, damit ich die Ente in Berlin zulassen kann. Zwei Wochen später fuhr ich mit Kennzeichen, Ente zugelassen und so wieder zu Jörg und schraubte die Schilder an Benjamin. Jörg wollte zuerst fahren und mir zeigen wie das jetzt alles geht mit rechts sitzen, lenken und fahren. Aber ich war so kribbelig auf dieses Gefährt, daß ich sofort selber fahren wollte. Hui, das isn Gefühl, alles anders, aber es klappte gleich von Anfang. Als mir Jörg sagte ich solle in den Dörfern doch etwas auf die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit achten guckte ich auf den Tacho und sah die Nadel bei 50 stehen. Ich realisierte erst jetzt, daß das ein Meilentacho ist und ich mit 80 Sachen durch die Ortschaften bretterte. Claudia hatte alle Mühe nachzukommen . . .

Es war schon eine heftige Umgewöhnung, aber der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier. Am krassesten sind scharf gefahrene Kurven. In einer “normalen“ Ente wird man ja in Rechtskurven zwecks Entenschräglage nach unten gedrückt, in Linkskurven angehoben. Als ich das erste Mal in Berlin um den Großen Stern gebrettert bin hatte ich das Gefühl in einer Achterbahn zu sitzen und hatte alle Mühe Benjamin auf seinem von mir vorgesehenen Weg zu halten. Eine heiße Geschichte ist auch die Sache auf der Autobahn. Man hat ja den optischen Eindruck, wenn man auf der Autobahn fährt, daß man auf seiner Spur bleibt und guckt nicht die ganze Zeit nach links und rechts auf die Begrenzungssteifen. Man guckt eher in die Ferne. In der Rechtslenker habe ich das zu Anfang auch so gemacht und habe dann das Problem gehabt, daß ich langsam aber sicher extrem weit links fuhr, teilweise mit der Ente mitten auf dem Mittelstreifen. Heftig sind auch Autobahnbaustellen mit enger, linker Spur und wir wollen hier an den LKW’s vorbei. Das Gefühl wie weit Benjamin jetzt noch von den Betonplanken auf der linken Seite weg ist habe ich bis heute noch nicht ganz raus. Ich fahre dann immer ziemlich nahe an den LKW’s ran, was aber bei irgendwelchen schlingernden Anhängern nicht sonderlich prickelnd ist. Und dann noch Fenster offen und die LKW’s haben logischerweise ihre Auspüffe auf der linken Seite und in Entenfensterhöhe . . .

Mit dieser Ente kann man ganz schön Verwirrung stiften. An den Ampeln gucken die Leute rüber, drehen den Kopf wieder weg, um dann wieder ganz schnell mit fragendem Blick zu gucken und schauen sich dann in ihrem eigenen Auto um, was da jetzt nicht ganz in Ordnung ist. Ein schönes Schauspiel. Der beste Vorteil ist im Stadtverkehr von Berlin, mit dieser Kiste übersehe ich beim rechts abbiegen keinen Radfahrer mehr.

Am geilsten ist es, wenn jemand auf dem Beifahrersitz Platz nimmt, um den Stadtplan zu studieren, Joghurt zu löffeln oder gar auf der Rückbank rumkramt. Oder ich packe da eine große Kiste rein, die dann noch zum Dach rausguckt. Steigerung hiervon ist es, wenn der Beifahrer bei offenem Dach auf selbigem Platz nimmt. Lustig sind auch Polizeikontrollen, wenn der Beamte auf der linken Seite steht und ich freundlich rüberwinke - huhu hier bin ich ! So ist es tatsächlich mal passiert, als ich einen Freund nach hause gefahren habe. Er hatte schon gut einen in der Krone und hat auf dem linken Sitzplatz in Benjamin rumgekaspert. Und rumms Polizeikontrolle. Natürlich latschen die Jungs auf die linke Seite der Ente und mein Freund hat den Polizisten angelallt, dass er gar keinen Führerschein hat – was auch den Tatsachen entspricht. Ich gestikulierte wild auf dem kontinentalen Beifahrersitz rum und versuchte dem Polizisten zu verstehen zu geben, dass das Lenkrad bei mir montiert ist. Als der Polizist uns zum aussteigen aufforderte machte ich das Dach auf, stand auf und meinte, wenn wir jetzt aussteigen kann hinterher niemand mehr sortieren, wer wo saß und wo nu das Lenkrad ist. Der Polizist kam zu mir rüber guckte übers offene Dach auf mein Lenkrad und war dann etwas verwirrt, aber ich als ich ihm dann den ganzen Papierkrempel gegeben habe und alles ok hat er sich ein Grinsen nicht ersparen können und nachvollziehen können, warum ich nu so rumgekaspert habe von wegen nicht aussteigen.

Der beste Kommentar im Straßenverkehr war der eines Busfahrers, der auf der Busspur stand und ich mit Benjamin an die rote Ampel nebenranrollerte. Hemdsärmlig guckte er ins offene Dach zu mir runter und meinte mit bester Berliner Schnauze – Hätte wohl ne Kehrmaschine werden sollen – wa !

Eine süße Konstellation war auch die Fußball-EM in Portugal, als ich im TV das Spiel England gegen Frankreich anguckte – da fuhr es mir durchs Hirn – Benjamin ist ja ein französisches Auto – für den englischen Markt in Portugal von Griechen zusammengeschraubt – und in Deutschland zugelassen – und ich gucke grade in Deutschland TV – passt ! Was jetzt noch fehlt ist Griechenland – aber die wurden damals Europameister dank Rehakles – war die Benjamin-Fußball-EM . . .

Ne absolut verrückte Aktion habe ich mal in den neuen Bundesländern veranstaltet. War da wohl grade auf der Anrase zu nem Treffen und noch in Sachsen-Anhalt oder so unterwegs und hatte Hunger so auf die schnelle. Nächste Raste mit Burger-King – bingo. Da ich gleich durchdüsen wollte bin ich Richtung Drive-in gefahren. Jo – da dreht man mitm Rechtslenker einfach um und fährt rückwärts durchn Drive-In. In der Warteschlange stand hinter mir, eigentlich vor mir ein erniedrigter Opel Corsa mitm Jungspund und ner Blondtucke drin. Die haben mich angestarrt mit einem sinnfreien Gesichtsausdruck, den ich hier nicht beschreiben kann . . . ( hab grad min. 5min drüber sinniert, wie ich es beschreiben kann – geht aber nicht ) Die junge Dame an der Ausgabe wusste auch nicht so genau, was hier grade passiert, aber ich hab sie darauf hingewiesen, dass ihre Sprech-Bestell-Apparate und Ausgabestellen halt nicht für mein Fahrzeug konzipiert sind. Wieder sinnfreies Gucken, aber ich hatte meine Mahlzeit . . .

Weniger spektakulär, aber auch süß ist das befahren eines Parkhauses. An die Schranke ranfahren – aussteigen – um Ente rumlaufen – Ticket ziehen – wieder außenrum laufen – einsteigen und durch offene Schranke ins Parkhaus braatzen. Die interessante Sache daran ist, wenn ein weiteres Fahrzeug rein will und hinter mir steht und sich oben beschriebenes Szenario ansieht. Die gucken dann immer so, als wenn sie sich denken, dass da evtl. ein Hamster am Steuer sitzt und zu klein ist um ans Ticket zu kommen, deshalb muß der Beifahrer die Arbeit erledigen – ich latsche dann immer hintenrum und grinse ob der Verwirrtheit der Menschen hinter mir im Auto.

Einmal stand ich am Anhalter Bahnhof an der Ampel, als ein Schwarzer mit Anzug und Business-Koffer auf meinen Benjamin in Form von beiger Ente zurannte und die für sich offensichtliche Beifahrertür aufmachte – reinguckte und meinte: Taxi ? Antwort meinerseits: kein Taxi. Er machte die Tür wieder zu und war offensichtlich sehr, sehr verwirrt. Ich habe ihm aber doch noch den nächsten Taxistand um die Ecke gezeigt.

Für entenfahrende Beifahrer ist es auch immer ein Erlebnis auf dem gewohnten Fahrersitz zu sitzen, in ein großes schwarzes Loch zu gucken und nichts tun zu dürfen. Oft schon habe ich diese Menschen an jeder Ampel mitbremsen sehen, was so die Bewegungen der Füße angeht. Böse ist die Sache mit dem Abstand zum rechten Fahrbahnrand bzw. parkenden Autos. Wie oft habe ich schon von Beifahrern gehört, ich solle doch nicht so nah rechts fahren. Aber wenn man rechts sitzt, so kann man total auf Tuchfühlung fahren. Manchmal, wenn so ne Ansage kommt, ich solle nicht so weit rechts fahren mache ich noch mal nen Zucker 20cm nach rechts, weil da immer noch Platz ist – Schreie in Ente von links – ich bleib dann ruhig und grinse – bin ich böse ?

Benjamin heißt seit Rahmenwechsel nu Sir Benjamin – habe ihn zum Ritter geschlagen mit ner Lenksäule – Scheinwerfer rechts – Scheinwerfer links – Kühlergrill. Er hats verdient und er ist ein so toller Kerl mit maximalem Spaßfaktor. Ich hab ihn lieb !