Erlebnisse mit Cäcilie Geraldine ( Caution ! Vmax 68 km/h ! )

Meine alte Dame namens Cäcilie Geraldine ( Bj. 1955 – 12 PS – Verdichtung 6,2:1 ) ist als solche schon eine Erscheinung an sich, da sie weitestgehend original ist, aber wohl irgendwann in den 60ern von nem Südfranzose mitm Handfeger in dunkelgrün matt übertüncht wurde – so hab ich Cäcilie Mitte 90er bei Bordeaux aus ner Scheune gezerrt aufn Hänger mitm Passat davor . . .

Es dauerte noch 10 Jahre, bis ich Cäcilie auf die Straße gebracht habe – leichte Schweißeren, Bremsen mitsamt den Schläuchen neu. Reifen, Auspuff – halt der jojojo-pitstop-Krempel. Beim TÜV allgemeine Verwirrung, weil die Kupplung ja anscheinend völlig im Eimer sei, bis ich den Buben die Funktion der Fliehkraftkupplung näher bringen konnte. Und die Stoßdämpfer seien auch kaputt – kann ja nicht sein, weil keine Stoßdämpfer vorhanden, bis ich den Buben die Wirkungsweise von Trägheits- und Reibungsdämpfern erklärte. Ab dann wollte dann niemand mehr der TÜV-Buben Cäcilie von innen sehen und durfte selber übern Bremsenprüfstand hoppeln. Bei der Bremsung der Vorderachse machte Cäcilie einen Satz mit mind. 2m nach hinten, vorher hat sie ihren Hintern sicherlich nen Meter hochgestellt, bevor sie den Satz nach hinten machte – bin selber erschrocken . . .

Naja – TÜV-Hürde genommen und Cäcilie ist nu auf der Straße . . . Jippie !

Auf der Straße erwies sich Cäcilie unerschrocken und souverän. Schwimmt gut mit im hektischen Stadtverkehr in Berlin, obwohl das für mich manchmal etwas stressig ist – diese Ente ist wohl eher fürs leichte, sanfte Gleiten auf Landstraßen mit dem Verkehrsaufkommen in den 50ern/60ern geschaffen, da auch Landstraßenfahrten stressig werden können. Wenn da ein Schild mit max 70km steht gehen alle vom Gas und ich trete aufs Gaspedal und weiß, dass ich nicht schneller kann und diese 70km/h nur mit bergab im freien Fall downhill erreichen kann . . .

Aber trotzdem habe ich meine Vorteile mit diesem Flugsaurier – obwohl ich immer volle Pulle fahren muß, um den Verkehr nicht aufzuhalten ist der Verbrauch so zwischen 4 und 5 Litern angesiedelt – das streben die Ingenieure der aktuellen Automobilindustrie grade händeringend an – nichts leichter als das – reduziert das Gewicht und schmeißt den unnötigen Krempel raus – Gewicht ist alles – Cäcilie wiegt 480 kg – in etwa soviel wie der Kabelstrang der aktuellen Mercedes-S-Klasse . . . (-:

Un der Fahrkomfort ist unschlagbar – hatte da eine Situation, als ich auf ner üblen Kopfsteinpflaster-Straße unterwegs war und da semmelt Cäcilie ja stoisch drüber, weil sie ja für so was konstruiert. Vor mir ein erniedrigter Kleinwagen mitm coolen ey-krass-Typen und der dazugehörigen Dumpfbacke femininer Art daneben. Der erniedrigte Kleinwagen hoppelt mit max 20km/h von Kopfsteinpflaster zu Kopfsteinpflaster. Ich kam mit Cäcilie von hinten angeflogen und bratzte mit 40 km/h an ihm vorbei, wobei in Cäcilie im Fußraum wohl ein Glas Sekt hätte stehen können, ohne dass der Sekt anfängt zu perlen . . . Das war eine der Situationen, bei denen ich erst kapiert habe, warum die Ente so konstruiert wurde, wie sie konstruiert wurde. Eigentlich die Erweiterung des Traktors mit Komfort, wobei das Interieur und die Instrumentierung etwas mehr bietet als eine Telefonzelle. Aber hat auch was von einem fliegenden Sofa, wenn ich bedenke, wie ich mit normalen 6er-Enten über die schlechten Straßen rumple und mit Cäcilie darüber hinweg schwebe. Der Unterschied zwischen normaler 6er-Ente und so einer 55er-Ente möge man sich so vorstellen wie der Unterschied wie zwischen einer 6er-Ente und einem tiefergelegten Golf – das ist tatsächlich so !

So lässt sich auch erklären, warum die Ente so konstruiert wurde. Um einen Bauern in Gummistiefeln mit Dreckklumpen dran mitsamt seiner Frau und der Ernte vom Acker zum Markt zu fahren. Wenn man die Straßenzustände der 50er aufm Acker und deren Zufahrtswege in etwas erahnen kann, so kapiert man es, wenn man mal mit so einer alten Ente unterwegs war und auch mal übern Feldweg gehoppelt ist, wo sich jeder Golf die Ölwanne wegreißt – Knut weiß es – gibt ein süßes kleines Video von – muß ich mal bei youtube einstellen . . . .

Die Akzeptanz anderer Verkehrsteilnehmer Cäcilie gegenüber ist zwiespältig – manche respektieren den Flugsaurier und lassen mir Platz zum überleben, manche drängeln sich vor und bremsen dumm rum und wundern sich, warum ich wenigstens nicht Scheibenbremsen oder gar ABS habe, wenn ich Haken schlagen muß um in die Busspur reinzubremsen. Andersrum ist es dann süß, wenn ich dann mit 50km/h auf der rechten Spur langschnüre und die Meute von hinten alle auf die linke Spur wechseln, weil sie Cäcilie als Pferdefuhrwerk einschätzen und ich dann an der nächsten Ampel rechts in Pole-Position stehe und ca. 20 Autos auf der linken Spur dumm hintereinander rumstehen und ich den Start gewinne – strike !

Ab und an werde ich mit Cäcilie angesprochen wegen irgendwelchen Film- oder Fernsehproduktionen, weil die da irgendwelche alte Autos wollen. So auch wegen dem Film Der Baader-Meinhof-Komplex. Denen habe ich aber dann erklärt, dass meine Ente zu alt ist und nicht in die Zeit Ende 60er passt. Habe denen dann die Ente von Konstantin empfohlen, weil die schon einen Blechdeckel hinten und eine große Heckscheibe hinten hat. Haben die dann auch genommen – ist zu sehen ziemlich zum Anfang des Filmes bei der Demonstration gegen den Schah von Persien vor der Deutschen Oper – ne blaue Ente . . . Cäcilie wäre aber fast doch noch in dem Film aufgetaucht. Einige Wochen nach der Anfrage wg. Ente und Vermittlung an Konstantin standen in der Sackgasse, in der ich wohne Halteverbotsschilder wg. Filmaufnahmen. Bin da am Freitag abend reingefahren mit Cäcilie und hab geparkt – das Halteverbot war am nächsten Tag ab 14 Uhr – no problem, da bin ich schon lange weg. Bin dann gegen 13 Uhr zu Cäcilie und da standen schon die ganzen gemieteten Autos für den Set – Ponton-Mercedes, Polizei-T1-Bullis, Isetta, VW Käfer und der ganze Krempel. War klar erkennbar, dass die da für den Baader-Meinhof-Komplex drehen wollen. Ich tapere halt zu Cäcilie und starte den Motor. Kommt da ein Typ mit wallendem Haar angerannt und brüllt rum, dass ich die Requisite nicht entfernen darf. Ich klärte ihn dann auf, dass das keine Requisite ist, sondern mein Alltagsfahrzeug ist und meine Ente zu alt ist, um im Baader-Meinhof-Komplex als glaubwürdig durchzugehen. Ich wies ihn noch auf die aktuelle Zulassung hin und ließ den armen Menschen mit vielen Fragezeichen kreisend ums wallende Haar in den Abgasen von Cäcilie auf der Straße stehen. Naja, zumindest ist der Eingang in dem Haus wo ich wohne im Film zu sehen, aber Cäcilie passt da nicht rein . . .

Einmal, als ich mit Jochen von der Werkstatt nach hause gefahren bin standen wir an der roten Ampel an der Hermannstraße, als ein Typ quer über die Straße an Cäcilie rangerannt kam und fast von zwei Bussen und 3 Autos übern Haufen gefahren wurde. Der sah nur Cäcilie und hat alles ausgeschaltet und stürmte nur zu uns an die Ente. Hat sich dann ans offene Dach geklammert und fragte 9 oder 16 PS ? Meine Antwort 12 PS. Er meinte nur – ach das gabs auch – drehte sich um und lief wieder blind über die Straße und wurde – na ja – fast von nem Taxi übern Haufen gesemmelt. Jochen und ich guckten uns nur an und wir haben uns schlapp gelacht.

Die größte Fahrt mit Cäcilie war zum Welttreffen nach Most in Tschechien 2009. Sind zwar nur knappe 300 km von Berlin, aber angesichts der Tatsache, dass ich mit Cäcilie die Autobahn meide wie der Teufel das Weihwasser (siehe Überschrift) war das ein geiler Ritt. Wir ( Schraube mit Jessica mit Top-Chop-Allrad-Ente und Hänger mit 2 Cross-Maschinen drauf und ich in Cäcilie ) gurkten über die Landstraße gen Most. Zwischen Berlin und Most liegt das Erzgebirge. Das Wort Gebirge ist abgeleitet von Berg. Berg heißt Steigung, also da geht’s hoch. Das mag Cäcilie nicht wirklich. Wobei doch irgendwie, da sie den Berg hochgeschnürt ist und keine Schwächen gezeigt hat. Jedenfalls keine Schwächen in der Form, dass sie sauer war, als das übermotorisiertes Material in Form von 2CV6 mit Wohnwagen an ihr vorbeizog. Sie hat stoisch ihre 3500 Upm gemacht und ist mit statischen 20km/h den Berg hochgekraucht. Und es hat maximal Spaß gemacht mit so einer alten Dame unter teilweise maximaler Belastung die 300 km in gut 6 Stunden zu meistern. Nach so einer Fahrt fühle ich mich immer wie unter dem Einfluß von irgendwelchen Drogen – ich bin dann weit weg von allem und weiß dann ganz genau, warum ich keinen Golf fahren will. Auf dem Treffenplatz habe ich dann die Nummernschilder abgeschraubt und bin mit dem original aufm Blech angepinselten französischen Kennzeichen rumgehoppelt, quasi als fahrender Scheunenfund. Warn geiles feeling Cäcilie wieder ohne das EU-Kuchenblech zu fahren. Süß war auch, daß mich dann mal grauhaarige Franzosen angesprochen haben und ich kein Wort verstand . . . Hab dann die Nummernschilder unterm Sitz vorgezerrt und denen unter die Nase gehalten. Kam dann aber doch noch Konversation auf mit Hilfe eines Übersetzers. Die alten Franzosen kamen ausm Departement 49, in welches Cäcilie als letztes gemeldet war und die schwelgten in Erinnerungen . . . Auf der Rückfahrt hat Schraube dann mit seinem GPS-Navi oder so nem Krempel meine highspeed laut Papieren ab absurdum geführt. Von wegen max 68 km/h – Cäcilie rennt nachgewiesene 74 km/h ! laut Schraube – und dem Menschen vertraue ich !