Alpträume eines Golf-Fahrers

Es war einmal ein Golffahrer, der hatte einen schlechten Schlaf. Seine Träume handelten immer von seinem Golf und einem anderen Auto, einem französischen, das eigentlich in seinen Augen kein richtiges Auto ist, aber ihm dennoch seinen Schlaf raubte. Er ging zum Psychologen und erzählte diesem die Träume der letzten drei Nächte.

1. Nacht

Der Golffahrer geht einkaufen. Parkt seinen Golf auf dem Supermarkt-Parkplatz. Es ist ein roter Golf. Mit vier Türen und Schiebedach. Der Golffahrer schiebt seinen Einkaufswagen vollgepackt mit den üblichen Konsumgütern über den Parkplatz. Überall stehen rote Golfs. Der Schlüssel paßt an fast jedem, aber es ist nicht sein Golf. Aus dem Supermarkt kommt eine junge Frau mit zwei Baguettes und einer Flasche Rotwein, läßt ihren Blick über den Parkplatz schweifen und läuft zielstrebig auf den kleinen Hügel zu, der sich über die roten Golfs erhebt. Steigt in ein kleines, französisches Auto ein, öffnet das Verdeck und fährt los. Der Golffahrer irrt noch bis weit nach Einbruch der Dunkelheit über den Parkplatz.

2. Nacht

Der Golffahrer fährt über die Autobahn und überholt alle kleinen, französischen Autos, die da auf der rechten Spur, eingeklemmt zwischen den LKWs, dahinkrauchen. Dann sieht er irgendwann eines dieser kleinen, französischen Autos, wie es auf die Standspur rollt und stehenbleibt. Der Golffahrer freut sich und sieht noch im Rückspiegel, wie alle anderen, kleinen französischen Autos hinter dem Pannenfahrzeug halten. Plötzlich wird der Golffahrer langsamer und muß auf der Standspur ausrollen. Er steigt aus , öffnet die Motorhaube und sieht viel Hightech, aber keinen Defekt. Er guckt auf die Straße und sieht viele Golfs vorbeirasen. Er läuft die 3 km zur Notrufsäule, alarmiert den ADAC und läuft zu seinem Golf zurück. In diesem Augenblick fahren alle kleinen, französischen Autos - auch das, das kaputtgegangen ist - an dem Golf vorbei. Zwar langsam, aber sie fahren. Der erste ADAC-Mann kann nicht helfen, weil er sich mit der Mega-Pentium-III-Elektronik nicht auskennt und informiert einen Kollegen mit Lehrgang. Der Golffahrer wartet noch bis weit nach Einbruch der Dunkelheit mit dem kaputten Golf auf dem Standstreifen.

3. Nacht

Der Golffahrer ist stolz auf seinem Golf. Er hat viel Geld für seinen Golf ausgegeben. CD-Wechsler, 205er-Breitreifen auf Alufelgen, die ganze Kiste tiefer und viel Spoiler. Er fährt stolz über die Straßen. Es ist Winter und er hat kein Geld mehr für Winterreifen, aber der Golf ist im Winter gut, so steht es zumindest im Prospekt der Firma VAG. Und weil der Golf so viel Geld gekostet hat, kann der auch nicht schlecht sein, außerdem fahren so viele Golfs rum, die ganzen Leute können ja nicht blöd sein. Beim ersten Schneeflocken, der auf der Straße auftrifft dreht sich der Golffahrer und rutscht in den Graben. Den anderen Autos geht es aber auch nicht besser. Entweder im Graben oder mit durchdrehenden Rädern grade noch so auf der Straße. Schneechaos, mindestens 2 cm Neuschnee, Katastrophenalarm. Der Golffahrer tröstet sich mit den anderen Autofahrern, die sich jetzt weinend in den Armen liegen. Plötzlich bricht ein Toyota Landcruiser durch die Schneewehen und pflügt an den liegengebliebenen Autos vorbei. Neidisch blicken die Havaristen dem Toyota hinterher und diskutieren über den teuren Allradantrieb. In diesem Augenblick fährt ein kleines, französisches Auto in der Spur des Toyota unbeirrt seiner Wege. Die Autofahrer stecken noch bis weit nach Einbruch der Dunkelheit fest.

Der Psychologe guckt auf den Parkplatz vor der Praxis, sieht dort sein kleines, französisches Auto warten und fragt den Golffahrer, ob er in seinem Leben nicht doch etwas falsch gemacht habe.